Das Personalentwicklungsgespräch (PEG)
– A Tailored Personal Development Tool
von Sven Winkler
Ende 2018 hatten wir Doris Dietz und Udo Wiegärtner bei uns zu Gast. Die Beiden stellten uns ihr Mitarbeiter:innen-Canvas vor und wir waren begeistert.
Knapp 2 Jahre und 100 Personalgespräche mit neuem Format später, können wir auf eine eigene, moderne Kreation unseres Personalgesprächs zurückblicken.
Hier erfahrt ihr was es damit auf sich hat!
Reinventing the tires, not the wheel
Es hat etwas gedauert bis wir unser Personalgespräch angehen konnten, bspw. haben wir zunächst organisatorische Themen wie das Gehaltsgespräch und den Gehaltsprozess bearbeitet. Vorweg genommen, um Gehalt geht es hier nicht, denn das Erste, was wir beschlossen haben, war: “Wir trennen Personalentwicklung vom Gehaltsprozess”. Wozu das? Die Antwort ist einfach: Wir hatten vorher ein mehr oder minder starres Dokument mit Ratings zu vielen Elementen, die alles und auch nichts individuelles enthalten haben. Das führte zunehmend dazu, den letzten Punkt des Dokuments vorzubereiten, die Gehaltsdiskussion. Die Entwicklung der Person bezüglich deren Schwächen, Stärken, Know-How oder Soft-Skills zu evaluieren und zu besprechen war dadurch zu oft zu nebensächlich geworden.
Unser Ziel war es unser Personalentwicklungsgespräch (PEG) so zu gestalten, dass ein Raum für Entwicklung aufgeht, der weder von Gehaltsgesprächen überlagert noch von ungenauen Ratings pauschalisiert und übersteuert wird. Kurzum, es soll ein individuell an die Person angepasstes Gespräch sein, das im Zusammenspiel mit unserer Firma auf die Entwicklung der Person einzahlt.
Nochmal zurück auf Start: Doris und Udo waren bei uns und gaben uns einen wichtigen Tipp mit: “Schaut euch unser Canvas an, nehmt das davon, was euch hilft und macht euer eigenes Ding draus”. Gesagt, getan. Entstanden ist bei uns ein Miro-Board und ein 100 % Online-Gespräch – denn gerade in dem Moment, in dem wir einen Plan hatten wie das Gespräch “in echt” aussieht, kam die Pandemie. Das Schöne ist, das Gespräch hat online funktioniert und ist ein wertvoller Bestandteil unseres Unternehmens geworden. Es ist ein echtes Entwicklungsgespräch geworden.


So siehts aus
Das Gespräch besteht aus 7 Elementen, den Quickfacts, bisherigen Vereinbarungen, Selbstbild-/Fremdbildeinschätzungen, Tätigkeits-Skala, Fähigkeiten-Skala, Feedback-Prozess und Vereinbarungen. Wir leiten so über das Sammeln von Fakten und Eindrücken einen Standpunkt aus, ordnen die Fragmente, bewerten sie und generieren daraus Ideen für Vereinbarungen, die wir später priorisieren, auswählen und genauer spezifizieren. Jedes dieser Gespräche ist im Grunde ein kleiner Ideation-Prozess individuell zu jeder Person.

Aufbau und Setting
Für unser Gespräch haben wir uns für die erste Durchführung eine Zeit von 2,5 Stunden reserviert, was in den meisten Fällen auch geklappt hat. Die 150 Minuten waren zumeist sehr kurzweilig und gleichzeitig gut fokussiert. Damit der Ablauf des Gesprächs zwischen Mitarbeiter:in und Führungskraft gelingt, wurde eine Moderation zur Seite gestellt. So konnten die Teilnehmer:innen sich voll und ganz auf die eigene Rolle konzentrieren. Zur Einführung des Formates haben wir vorbereitend Sessions, Videos, Briefings und Dokumentation zur Verfügung gestellt.
Gemeinsam durchleuchtet haben wir vor allem Tätigkeiten und Fähigkeiten und zu den einzelnen Themen haben wir dann jeweils Standpunkte und Entwicklungsmöglichkeiten bestimmt.
Die Elemente
Die Quickfacts und der Recap der Vereinbarungen
Das Format startet zunächst mit den “Quickfacts”, also den Informationen, die wir allgemein für jede Person zusammen- und vorab eingetragen haben. Danach reviewen wir gemeinsam die bisherigen Vereinbarungen und bestimmen, ob diese erfolgreich waren und inwiefern sie den gewünschten Effekt haben. Trifft es den Effekt nicht, dann gilt die Vereinbarung als “challenged”. Für den Fall, dass es noch offen ist, entscheiden wir, ob wir die Vereinbarung nochmals aufnehmen. Sie landet auf den Ideenstapel für die Vereinbarungen.
Selbstbild-/Fremdbildeinschätzungen
Gemeinsame Einschätzungen sollen uns zu einem abgestimmten Bild zu ausgewählten Themen wie Zusammenarbeit oder Lernen und Lehren führen. Zudem kann man individuelle Themen aufnehmen und diese auf einer Skala bewerten. Wir verwenden eine Skala, die im positiven Bereich mehr Raum zum differenzieren lässt. Auf der Skala schätzen die Person und die Führungskraft die Themen ein. Das Ziel ist hier Gemeinsamkeiten zu benennen und Differenzen aufzudecken und Standpunkte abzugleichen. Eine Einigung ist nicht das Ziel, der Austausch schafft hier den Wert.

Die Tätigkeits-Skala
… ist für uns eine sehr relevante Übung. Sie besteht aus einer 2×2 Matrix, auf der wir die vorab gesammelten Tätigkeiten, die eine Person ausübt oder die an sie herangetragen werden, auf den Dimensionen “macht Freude/macht keine Freude” und ist eine “ungeplante/geplante Tätigkeit” einsortieren. So können wir einfach feststellen, wie zufrieden jemand mit den eigenen Tätigkeiten ist und wo wir Bedarf zur Verbesserung oder Klärung haben.

Die Fähigkeiten-Skala
Die Fähigkeiten haben wir in Themen und Skills unterteilt und im Vorfeld für uns als Firma so einsortiert, dass wir die Expertise als hoch in ihrer Marktfähigkeit einstufen, die besonders relevant in unserem Geschäft ist. So können wir strategisch aufzeigen, welche Fähigkeiten aktuell die gefragtesten sind und wie hilfreich eine Entwicklung in dieser Fähigkeit für uns als Unternehmen und damit für die Einzelperson ist. Die Fähigkeiten ordnen wir auf einer Skala an; vertikal die Marktfähigkeit und horizontal die Expertise im Thema.

Das 5-Finger Feedback
… besteht aus Feedback zu den Punkten: gefällt mir (Daumen hoch), möchte ich drauf hinweisen (Zeigefinger), gefällt mir nicht (Mittelfinger), ist wertvoll (Ringfinger) und kommt zu kurz (der kleine Finger). Wir geben dabei dieses Feedback hin und her sowohl zwischen Führung und Mitarbeiter:in als auch Organisation und Mitarbeiter:in. Beides war lohnenswert. Im direkten Führungsverhältnis konnte man sich austauschen.

Die Vereinbarungen
Letztlich ziehen wir Input und alle Ideen für Vereinbarungen aus allen Teilformaten in die abschließende Sektion “Vereinbarungen”. Wir wählen die Ideen zu Vereinbarungen, die sich im nächsten halben oder ganzen Jahr umsetzen lassen und brechen diese auf einzelne Maßnahmen und Zeiträume herunter, sodass wir im Anschluss an das Gespräch einen genauen Plan haben, der auch umgesetzt werden kann. In weiteren Führungsgesprächen wird darauf folgend gemeinsam an der Umsetzung der Punkte gearbeitet.

Etwas weiter auf der Zeitlinie
Unser PEG und Teile davon sind mittlerweile fester Bestandteil unserer Führungselemente geworden. Wir nutzen das PEG z. B. bei jeder neu ankommenden Person im Unternehmen in den ersten 3 Monaten, um das Ankommen einzuordnen und frühzeitig Themen zu klären und einzusortieren. Das ist wertvoll für uns, da wir so direkt einordnen können, ob Tätigkeiten und Einsatz passen. Zudem finden wir heraus, wo ein Bedarf besteht weiteres Know-How aufzubauen. Für die Orientierung von neuen Mitarbeiter:innen ist das wichtig, da zu Beginn viele Tätigkeiten an sie herangetragen werden und sie so Klarheit bekommen, was wirklich zu tun ist und wo man auch gut “nein sagen” kann.
Teile wie der Feedback-Prozess oder die Tätigkeits-Skala sind auch in die Vorlage für 1-on-1 Gespräche aufgenommen worden sowie auch das Tracking der Vereinbarungen aus dem PEG. So sind wir zwischen den Personalentwicklungsgesprächen immer nahe an der persönlichen Entwicklung dran.
Im Recruiting probieren wir demnächst auch die Tätigkeits-Skala aus. Vielleicht hilft das Format bereits vor der Einstellung ein besseres gemeinsames Bild auf die Tätigkeiten zu bekommen.
Stimmen aus der Runde
Den besten Einblick erhält man bekanntlich, wenn man die Personen sprechen lässt, die es erlebt haben und für die es da ist. Deshalb hier ein paar ihrer Eindrücke:
“Ich finde das neue Format klasse. Im Vergleich zu den Mitarbeitergesprächen in anderen Unternehmen wird hier ganz deutlich, dass die adorsys sich sehr für ihre Mitarbeiter:innen interessiert.”
“Mitarbeitergespräche kannte ich bisher nur ganz klassisch, da sitzt mein Vorgesetzter im Chefsessel gegenüber und hat einen Zettel von der HR in der Hand. Das „Gespräch“ besteht dabei dann daraus, dass man sich darüber einigt, was jetzt in die Felder eingetragen wird, damit die Personalabteilung zufrieden ist und die Karriere nicht leidet. Das ist in eurem neuen Format nicht so. Das war bei uns ein richtiges Miteinander. Beide Seiten kommen zu Wort und halten ihre Punkte fest. Dadurch ist das Ganze nicht nur vom Feeling her viel offener. Die Offenheit hat mich erst verunsichert, wie ich am besten starten soll, aber dem wurde mit gekonnter Moderation begegnet. Wir haben über mich gesprochen und nicht über ein Formular, das nach Schema ausgefüllt werden muss.”
“Besonders wertvoll als neuer Mitarbeiter finde ich den Bereich „Pooling der Marktfähigkeit“. Das schafft Transparenz in beide Richtungen und ich kann mich gerade als Einsteiger orientieren, wie die nächsten Schritte am sinnvollsten zu gestalten sind. Man merkt dem ganzen Miro-Board an, wie viel Aufwand und Konzeption da hineingesteckt wurde, um das als gutes Gespräch miteinander zu strukturieren. Deswegen habe ich sehr viel Feedback zu mir mitnehmen können und das finde ich immer gut. Man merkt eben es geht bei der adorsys nicht nur darum, einen Haken hinter ein ToDo zu bekommen.”
“Gemeinsam haben wir Ziele erarbeitet und überlegten, wie wir die Fähigkeiten von mir ausbauen können, die marktfähig sind. Durch die Prioritätensetzung sind aus sechs Zielen drei Ziele geworden, welche ich in den nächsten Jahr verfolgen werde. Es war super Feedback zu geben und zu bekommen – Dinge anzusprechen, die mir auf der Seele lagen, und über die Richtung nachzudenken, in die ich mich entwickeln soll.”
Schau vorbei, um auch selbst Personalgespräche zu haben, die deine individuellen Stärken fördern.
Anmerkung:
Unser Personalgespräch (PEG) heißt eigentlich Mitarbeiter:innenentwicklungsgespräch (MAEG). Da der Begriff etwas sperrig wirkt, haben wir es zwecks Leserlichkeit in diesem Beitrag auf Personalgespräch umbenannt. Das klingt etwas unpersönlicher, ist aber leichter zu lesen.